Anlässlich der Jahreshauptversammlung 1998 erhielt ich die Einladung, von der Organisationsleitung, einen Vortrag zum Thema Fuchsien in Bonsaiformen vorzutragen. Auf Grund der etwas widrigen Umstände, und einiger Nachfragen, möchte ich eine kleine Reihe Fuchsien in Bonsai-Kultur mit der heutigen Ausgabe des Fuchsienkuriers beginnen.

Ich denke das allgemeine zum Thema Bonsai-sparen wir uns, vielen ist der Begriff bzw. die Kultur von Gehölzen durch Ausstellungen etc. ein Begriff. Fuchsien in Bonsaiform sieht man jedoch selten, wobei praktisch alle Bonsailiebhaber Fuchsien kennen und vor allem auch schätzen. Aber die Pflege ist etwas heikel, und viele Versuche dieser Bonsaifreunde mit Fuchsien scheitern.

Wir als Fuchsienliebhaber sollten damit keine Probleme haben, da wir die Eigenarten unserer Lieblinge kennen. Ich habe schon oft in Diskussionen oder Vorträge gesagt, wer Fuchsienampeln durch den Sommer kultiviert, und dies über Jahre, der wird auch mit Fuchsienbonsai keine Probleme bekommen und viel Spaß mit dieser Kulturart haben.

Warum aber Bonsai?

Ein häufiges Vorurteil lautet: Das sind doch verkrüppelte, schlecht ernährte Pflanzen. Oder noch eines: Den Pflanzen werden mit Draht die Wurzel abgeklemmt. Ich sage den Leuten, schauen Sie doch mal genau hin, sehen so schlecht ernährte bzw. „gequälte“ Pflanzen aus?

Ich denke, die Bonsaikultur ist eine Kulturform unter vielen. Glauben Sie etwa Fuchsien wachsen in der Natur in Ampeln, oder es ergeben sich Hochstämmchen, wie in unseren Gärten? Ich glaube kaum. Eines weiß ich jedoch, die Bonsaikultur ist schon sehr alt, und hat in China und Japan sehr viel mit Tradition zu tun.

Familien haben dort Bäume über Generationen weitervererbt. Auch hier bei uns entwickelt sich diese Kultur- form stetig weiter. Trotz aller Vorurteile, eines steht fest, die Bonsaileute sind sehr verbunden mit ihren Pflanzen, jede Veränderung (Schädlinge etc.) wird schnell erkannt. Durch die Kulturform sind die Pflanzen relativ transportabel, leicht, und man kann sie ständig durch Anheben begutachten und kontrollieren. Man ist sozusagen nah dran.

Durch das ständige beobachten, haben meiner Erfahrung nach, die Bonsaifuchsien bei mir praktisch keine Schädlingsprobleme, da kleinste Befälle sofort erkannt werden. Auch bei der Ernährung bzw. beim gießen ist man „nah dran“ , auch dadurch ergibt sich ein relativ gleichmäßige Verhalten unsererseits. Die Fuchsien- bonsai bedanken sich bei mir durch kräftiges wachsen und ab ende Juli (bedingt durch weiches entspitzen zur Formerhaltung) etwas später als üblich, mit reichlicher Blüte bis zum ersten Frost.

Bei diesem Bildern, so denke ich, können wir die genannten Vorurteile getrost vergessen.

Wie kommt man an solche Fuchsienbonsai ?

Gute Frage, kaufen geht nur in Ausnahmefällen, da Fuchsien in Bonsailäden kaum angeboten werden. (Pflegeaufwand sehr hoch, daher kostenintensiv ). Unter uns Fuchsienfreunden gibt es auch nicht viele Bonsaispezialisten, so dass man entweder nach Wuppertal oder Lichtendorf fahren muss.
Oder selber machen, aber wie ?

1. Möglichkeit: Steckling (Eigene Anzucht)

Vorteil: Freie Auswahl von Sorte und Stilrichtung (Selbstgestaltung) Nachteil: Langwierig, da ein Steckling erst reifen muß. (ca. 3-5 Jahre bis Bonsaischale)

Wir besorgen uns geeignetes Ausgangsmaterial bei anderen Fuchsienfreunden, oder in unserer Spezial- Fuchsiengärtnerei!

Sorten Beispiele:
Schöne Wilhelmine, Chang, Galadriel, Nicki`s Findling, Olive Smith, Casper- Hauser, Walz- Jubilteen, Charming, Checkerboard, Betzi, Beacon, Rose of Castille, Whitenight- Pearls, Daisy- Bell, Leverkusen, Lotti- Hobbie, Vuurwek, Melanie, viele Wildsorten u viele..viele mehr……..

Es eignet sich praktisch jede Sorte, es sollten aber der Optik wegen, Sorten mit kleinen bis mittelgroßen Blüten und Blättern gewählt werden. Diese Stecklinge werden bewurzelt und wie andere Jungfuchsien kultiviert, nur die Höhe wird auf ca. 20- 40 cm reduziert.

Als Vorschlag: Nach Erscheinen der ersten Seitentriebe, wird die Spitze entfernt, ein Seitentrieb ergibt den neuen Leittrieb, der andere Seitentrieb die erste Astetage z.B. nach rechts. Erscheinen am Leittrieb wieder Seitentriebe, Vorgang wiederholen, nur umgekehrt, Astetage nach links usw. bis die gewünschte Höhe erreicht ist. Die jeweiligen Astetagen läßt man auf 4-8 Augenpaare in Wurzelnähe und 3-4 Augen- paare in Kronennähe austreiben um sie dann weich zu entspitzen.

So erhält man kleine Fuchsien mit Astetagen die nun durch Entspitzen verfeinert werden.

Tip: Steckling erst nach erreichen der eigentlichen Höhe und ausreichender Stamm bzw. Astdicke in Bonsai- schalen pflanzen.
Topfkultur: Wachstum, speziell Dickenwachstum ist noch stark ausgeprägt (Wachstumsphase.)
Schalenkultur: Dickenwachstum u Wuchskraft sind reduziert. (Verfeinerungsphase)
Stichwort Dickenwachstum: Lägenwachstum der Äste bedeutet auch Dickenwachstum, also je länger ein Trieb wird, desto dicker wird er in Stammnähe, daraus resultiert auch der Schluss im Kronenbereich sollten die Triebe nicht zu lang werden, da sonst die Proportionen des Baumes nicht mehr stimmen! Die größte Wuchskraft bei unseren Fuchsien liegt im Kronenbereich (höchster Punkt) Deshalb muss durch starken Rückschnitt im Kronenbereich, die vorhandene Wuchskraft zurück in die Äste in Wurzelnähe gebracht werden.

2. Möglichkeit: (Yamadori bzw. Findlingsmethode)

Der Japanische Begriff Yamadori heißt übersetzt: Findling aus der Natur. Hierbei wurden und werden heute noch schöne kleingebliebene Bäume in der Natur gesammelt, um sie dann in der Schale weiter zu kultivieren. Eine Fuchsie findet man bei uns in der Natur nicht, aber achten sie in Gärtnereien oder bei Liebhabern auf alte Pflanzen, meist unscheinbar, nicht mehr in der 1. Reihe stehend, warten diese nur auf Bonsaifreunde. Oft sind es alte Mutterpflanzen, abgebrochene Stämmchen o.ä.

Viele dieser Pflanzen sind mehr oder weniger ausrangiert, und die Besitzer trennen sich meist sehr leicht von ihnen.
Bei diesen Pflanzen spreche ich von Yamadoris. Hierbei gibt es nun 2 Möglichkeiten:

a. gesunde Yamadoris (Vitalität ist in Ordnung)
b. kranke Yamadoris (Vitalität ist nicht vorhanden)

Zuerst Möglichkeit a. Hier muss man meistens etwas mehr Überredungskunst aufwenden, um diese Pflanzen zu bekommen. Hat man sie erstmal zu Hause, beginnt die Umstellung zum Bonsai. Je nach Jahreszeit kann das sofort geschehen oder man wartet auf die richtige Jahreszeit. Optimal sind bei dieser Methode die Monate März, April, Mai u September. Bevor im Wurzelbereich (auch Umtopfen) gearbeitet wird, sollte die Pflanze zurückgeschnitten werden.

Auch wieder den Grundsatz „Krone- stärkstes Wachstum beachten“.

Wichtig ist es auf die Form, Gestalt, sowie auf Ausdruck und Charakter der Bäume zu achten. Eine Kombination aus Kunst und gärtnerischem Geschick ist hier Grundvorraussetzung, denn was nutzt ein Baum, der eine tolle Form hat, aber auf Grund der Schnittmaßnahmen keine Überlebenschance besitzt. Deshalb hier ein Grundsatz, der immer beachtet werden sollte:

Vitalität und Erhalt geht vor Attraktivität und Gestalt!

Nach dem erfolgten Rückschnitt braucht die Pflanze ca. 2-3 Wochen zur Erholung. Danach beginnt der Neuaustrieb. Nun ist der Zeitpunkt des Aus.- bzw. Umtopfen gekommen. Die Pflanze wird vorsichtig ausgetopft. Der Erdballen wird mit Holzstäbchen, kleineren Gabeln gelockert, u mit alten Zahnbürsten o. ä. ausgekämmt. So schonend wie möglich werden die Wurzeln freigelegt. Im oberen Bereich zeigt sich meist ein Wurzelansatz (Wurzelhals) der genügend dick ist und alt wirkt, dieser Ansatz wird in der Bonsaischale frei bleiben und die Basis bilden. Nun wird das alte Substrat entfernt. Alte tote und zu lange Wurzeln werden entfernt bzw. auf ca. 1/3 eingekürzt. Wichtig: Die Schnittflächen zeigen immer nach unten, damit kein Wasser auf der Schnittstelle stehen bleibt.

Haben wir die Wurzeln entsprechend der ausgesuchten Schale gekürzt und angepaßt, wird die schönste Seite des Baumes als Vorderseite ausgesucht und entsprechend eingepflanzt. Wichtig ist es, daß an jeder Stelle auch unter dem Baum das Pflanzsubstrat sorgfältig eingearbeitet wird. Es dürfen keine Hohlräume im Wurzelbereich entstehen. (Hilfsmittel: Holzstäbchen und ein mit Wasser gefüllter Drucksprüher zum vorsichtigem Einschlemmen.) Nach dem Eintopfen sollte ein fußwarmer, regenfreier, Platz für die Pflanze gewählt werden. Das Substrat wird erdfeucht gehalten. Die Pflanze sollte häufig mit Wasser besprüht werden, vorallem. das alte Holz wird so für einen Neuaustrieb angeregt. Gedüngt wird erst, wenn ein Neuaustrieb bzw. im Frühjahr die Blütenknospen sichtbar werden.

Stichwort Substrat
Eigenschaften: 1. Luftdurchlässig
2. Gute Drainageeigenschaft
3. Standfest in der Kulturphase (kein Masseverlust)
4. PH.-Neutral
5. Gute Aufnahme und Abgabe von Düngerionen

Rezept zur Selbstmischung:

1 Teil Gartenerde
1 Teil gute Torferde (Weißtorf und Ton)
½ Teil groben Rheinsand
½ Teil Tongranulat (Seramis oder Akadama)
1-2 g organischer Dünger (Oscorna o.ä.) je Liter Substrat.

Alles wird durchgesiebt und gut vermischt.

Möglichkeit b: kranke Yamadoris

Im Prinzip ist die Vorgehensweise wie in Möglichkeit a beschrieben wurde.Es bestehen aber einige Unterschiede in zeitlicher Hinsicht. Sollten wir kranke schöne Yamadoris bekommen, ist meist ein Wurzelschaden für die fehlende Vitalität verantwortlich. Das heißt, wir sollten sofort reagieren, egal ob Sommer, Frühjahr, Herbst oder Winter. Es wird zurückgeschnitten, um die Wurzeln zu entlasten. Danach wird sofort auch ausgetopft. Sämtliche geschädigten oder toten Wurzeln werden entfernt. Das alte Substrat wird ebenfalls vollständig entfernt. (ggf. auswaschen)

Jetzt empfiehlt es sich, den gesamten Wurzelballen zu desinfizieren. Man kann dieses mit Holzkohlenmehl, Asche oder Wurzelbildungshormon durchführen. Bei sehr großen Wunden kann auch ein Baumschnittverschlußmittel benutzt werden. Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, den geschwächten Baum vor Pilzbefall zu schützen. Ein weiterer Unterschied zu Möglichkeit a, der Baum wird in einem normalen Tontopf getopft.
In diesem Topf kann er sich an einen fußwarmen, regenfreien Platz regenerieren.

ACHTUNG: Gedüngt wird erstmal nicht.

Auch hilft es dem Baum wenn die Sandmenge im Substrat erhöht wird, daraus resultiert mehr Luft an den Wurzeln und weniger Staunässegefahr. Weiter sollten Blätter und altes Holz mit Wasser angesprüht werden. Zum einen wird die geschwächte Wurzel entlastet, zum anderen wird der Neuaustrieb am alten Holz angeregt. Wenn der Baum sich augenscheinlich erholt hat, sollte nochmals die Wurzel vorsichtig kontrolliert werden. Ist sie stark genug, gehen wir nun vor, wie in Möglichkeit a beschrieben. Ist sie noch schwach, verbleibt der Baum weiter im Tontopf. Es muß sehr viel Geduld angewendet werden, denn wir haben einen weiteren

Grundsatz: 1. Ziel Gesundung der Pflanze (Wurzeláufbau)
2. Ziel Gestaltung und Kronenaufbau (Verzweigungsaufbau)

Bei dieser beschriebenen Methode spreche ich auch gerne von der Etapentechnik. Hat sich der Baum vom Umtopfen erholt und zeigt uns dies durch kräftigen Neuaustrieb an, kann mit der Gestaltung der Äste begonnen bzw. weitergemacht werden.

Grundsätze der Gestaltung: 1. Die dicksten Äste sind in Wurzelnähe
2. Es soll eine dreieckige Grundform erreicht werden
3. Beim Betrachten soll eine gewisse Tiefe ( Dreidimensionalität) vorhanden sein.
4. Die Verzweigung soll durch weiches Entspitzen verfeinert werden
5. Ausdruckskraft und Charakter der jeweiligen Gestaltung u Stilrichtung festlegen und beachten.

Die Düngung

Die Grunddüngung im Frühjahr ist organischer Natur, mit Oscorna o.ä. Beim Umtopfen entfällt sie, da das neue Substrat gedüngt ist. Ansonsten wird beim Vegetationsbeginn der Pflanzen mit organischem Dünger das „Düngejahr“ begonnen. Nach ca. 4-8 Wochen, bzw. wenn sich erste Knospen zeigen wird eine Folgedüngung nötig. Meine Fuchsienbonsai erhalten dann einige Körner eines Depotvolldüngers, in meinen Fall Triabon von der Fa. BASF. Diese Düngekörnchen (ca. 5-10 St.) versorgen die Bäume bei jedem Gießen mit Nährstoffen.

Vorteile : 1. Sehr ergiebig und effektiv (kostengünstig)
2. Sehr regelmäßig
3. Zeitsparend

Diese 5-10 Körnchen versorgen die Pflanzen ca. 4-6 Wochen, je nach Gießhäufigkeit. Danach werden wieder 5-10 Körnchen aufgetragen, diesen Vorgang wiederhole ich bis Ende August. Als sogenannte Herbst oder Abschlußdüngung setze ich einen Phosphor/Kaliflüssigdünger ein. Dieser Dünger wird als Blattdüngung auf- getragen u bewirkt folgendes:

1. Stärkung der Knospen bzw. schlafenden Augen, also den Neuaustrieb für das kommende Jahr.
2. Abhärtung der sichtbaren Triebe (Zweige, Äste) u der nicht sichtbaren Triebe (Wurzeln)

Es gibt natürlich auch noch andere Düngemethoden, gerade wenn man Pflanzen für Ausstellungen vorbereitet. Mit der oben genannten Methode habe ich schon mehrere Jahre beste Erfolge. Übrigens wende ich alles Beschriebene auch bei meinen „normalen“ Fuchsien an. Ich hoffe, mit diesem Artikel einige Vorurteile ausgeräumt zu haben und vielleicht hier und da für Neugier gesorgt zu haben. Ganz ehrlich muß ich sagen, vieles Beschriebene schaut man sich besser einmal an, denn es ist schwierig alles in Worte zu fassen. Ich lade alle Interessierten ein, mir über die Schulter zu schauen.

Nehmen Sie mich beim Wort und besuchen uns, entweder bei unseren Freundeskreisveranstaltungen in der Gärtnerei Heinke in Dortmund-Lichtendorf, oder nach Absprache auch bei uns zu Hause ebenfalls in Lichtendorf. Für Internetfreunde gibt es auf unsere Homepage: http://www.online.de/home/vogelfreund/ ebenfalls viel Wissenswertes über Fuchsien und Bonsai. Ich wünsche allen Fuchsienfreunden viel Spaß u Erfolg beim Gärtnern.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Brunnert